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Der lange Weg nach Nizza - Teil 5: D-Day! Unglaublich, was ein Tapetenwechsel ausmacht! Kaum hatten wir vor Nizza geankert, hatten sich die Anspannungen der vorhergehenden Reisevorbereitung in ein voellig anderes Gefuehl gewandelt. Endlich richtig Sonne und dazu das Meer ca. 200 Meter vom Appartment entfernt. Der Hammer!


Das anstehende Ereignis kuendigte sich schon auf diverse Medien an, sei es bei Tag ...


... oder bei Nacht.


Um es gleich mal zuzugeben, hatte ich beim ersten Kontakt mit dem Meer die Hosen gestrichen voll.


Es gab da die gelben Bojen, die Schwimmer von den Motorbooten separieren sollten. Aber als die roten Wettbewerbsbojen fuer das offizielle Training zur Probe ausgefahren waren wurde ich bleich. Ein spanischer Teilnehmer, den ich am Strand traf wurde trotz seiner geuebten Braeune ebenfalls bleich und wir beschlossen, dass sich das Gefuehl wohl fuer jeden der 2500 Teilnehmer einstellen wuerde. Dafuer wurden aber meine Erkundungen der Radstrecke mit sensationellen Ausblicken und einer fuer Radsport sehr aufgeschlossenen Bevoelkerung belohnt.


Man beachte uebrigens die stringente Riviera-Tauglichkeit der Piraten Klamotten.


Auch hatte ich niemals das Gefuehl in dieser Gegend isoliert zu sein.



Und so ergab es sich, dass fuer meine Familie und mich die Tage bis zum Beginn der Wettbewerbsaktivitaeten ein veritabler Urlaub wurden. Unter anderem erfreuten wir uns an der Beobachtung der hiesigen Tierwelt. Zum Beispiel, dem Schichtwechsel eines bruetenden Moeven-Paars. Der jeweilige Partner sass dann mehrere Stunden in der prallen Sonne. Ganz hart!


Aber auch Nachts hatte die Stadt ihre tierischen Akteure.


Bei manchen Sorten reagierten wir dann allerdings auch mal etwas selektiver.


Ich beschloss mich dann irgendwie mit dem Meer anzufreunden und die Bedingungen im Neoprenanzug zu testen.


Gedanken an die Entfernung der weitesten Wettbewerbsboje verdraengte ich erst mal. Das Rantasten an die gelben Bojen (ca.300m) ging dafuer schon ziemlich gut. Mit den Wellen kam ich gleich auf Anhieb klar. Das Salzwasser, das einem gelegentlich beim Orientieren voll in die Fresse klatscht war auch zu ertragen und das Beste: Neo und Meerwasser sind wie fuereinander geschaffen.


Trotzdem war ich mir sicher, dass schneller als 1:20h auf dem Kurs fuer mich nicht drin waren. Mit dem Abholen der Startunterlagen nahm dann allmaehlich die Anspannnung zu.


Das Rad musste jetzt endgueltig flott gemacht werden. Ein Plattfuss auf einer der Ausfahrten hatte mich vorgewarnt, dass allzu professionelle Leichtpellen am falschen Fleck sparen. Statt dessen, lieber die Modelle "Bomb Proof". Der Check-in am Vortag zeigte dann auch, dass keinem der Teilnehhmer diese Anspannung erspart blieb. Wer jetzt seine Tuete falsch gepackt hatte konnte nichts mehr korrigieren.


Allerdings zieht das dann auch einen vorlaeufigen Schlussstrich und so kam es, dass ich zwar kurz, aber gut schlief. Frueh am Morgen, dann der etwas unwirkliche Marsch vorbei an den Schaufenstern der Mode-Titanen. Meine Crew war jetzt mindestens so durch den Wind wie ich.


Und so sieht das dann aus wenn man nur noch ein paar Minuten hat und die Schlange am Dixi Klo sich nicht zuegig entleert.


Nachdem die Entleerung dann doch stattfand und der Neo zu war ging es dann zum Strand um sich mit ca. 2500 Freunden des Ausdauersports zum gemeinsamen Baden im Meer zu treffen.


Die folgenden Aufnahmen sprechen fuer sich selbst. Wer so einen Start schon mal erlebt hat, wird um so intensiver spueren was ich meine.










Der Moment an dem man ins Wasser geht stuelpt sich die Wahrnehmung von Aussen nach Innen. Ich erinnere mich an unterschiedliche Phasen in denen ich entweder mit den Mitbewerbern, oder dem Koerper, oder dem Wasser vornehmlich zu tun hatte. Der Kurs bestand aus einer langen Runden, einem kurzen Landgang und einer nicht so langen Runde. Die erste Boje bekam ich nie zu sehen. Der Pulk bewegte sich automatisch. Im Gegensatz zu kleineren Wettbewerben fiel mir aber auf, dass die Mitstreiter relativ umsichtig waren, denn jeder hatte eine grosse Strecke vor Augen. Das Austeigen fuer den Landgang war durch die Wellen und dem Gedraenge die Hoelle. Ebenso der finale Ausstieg nach der zweiten Runde. Von gelegentlichen Kraempfen geplagt und mit schlechter Laune wurde ich rausgezogen ...


... und sah dann die Zeit: 1:08:57 Geil! Also schnell den Bike-Beutel schnappen, ...

... im Zelt den Neo aus und das Radzeug an, Wasser in den salzigen Mund kippen, ...


... Rad schnappen, am Balken aufspringen und feste treten, denn jetzt war ich an Land!


Von der Radfahrt gibt es natuerlich keine Copyright-freien Bilder. Dafuer kann ich aber zuverlaessig berichten, dass ich die folgenden 5:36h als die bis dato herrlichste Radfahrt meiner Wettbewerbshistorie erlebte. Von der Kuestenstrasse geht es ab in die Alpen der Provence. Mit 1800hm gilt dies als einer der schwierigsten Radstrecken im Ironman Zirkus. Als ehemaliger Mountainbiker erscheint das als ein eher zahmes Profil und kam mir sehr entgegen. "Windschatten-Lutscher" gibts jedenfalls keine. Irgendwo muss ich an einer Abfahrt 98.7km/h gehabt haben: Wahrscheinlich da, wo ich laut jubelnd den grinsenden Krad-Gendarmen abgehaengt hatte.


Zureuck in Nizza musste ich mich dann mental auf das harte Finale vorbereiten.


Ich hatte schon vor dem Wettbewerb eine orthopaedische Schwaeche entwickelt und mir war zu dem Zeitpunkt klar, dass der anvisierte schnelle Marathon nicht mehr zu realisieren war.


Was hier noch ganz flott aussieht, waren in Wahrheit stechende Schmerzen mit jedem Aufsetzen des linken Beins.


Hinzu kam eine gnadenlose Sonne auf voellig schattenfreiem Asphalt.


Die erste von vier Runden ging noch im geplanten Tempo. Doch dann sah ich den ersten umgekippten Teilnehmer. Und es wurde heisser ...


... ich nahm Tempo raus, und es wurde heisser ...


... und jeder versuchte auf seine Art cool zu bleiben ...



... und es blieb heiss bis ich endlich ...


... mit allen drei Baendchen am Arm in den Zielkanal durfte, hinter dem sich schon Adrian genial positioniert hatte. Auch hier sprechen die folgenden Bilder wohl fuer sich selbst:









Und wenn sie nicht gestorben sind, dann feiern sie noch heute ...

... wenn da nicht die etwas wuerdelose Organisiation des Athletes Garden und des Bike Check-out den Gesamteindruck der Veranstaltung unnoetig herunterzogen. Ein paar Spanier wurden sogar ziemlich rabiat und warfen mit Plastikflaschen. Zum Schluss musste jeder aus den 2500 Raedern seins herauspicken. Man stelle sich vor, Kohorten ausgelutschter Leute streunen ziellos um 2500 teure Velos herum.


Dabei war mein linkes Bein zu dem Zeitpunkt so gut wie bewegungsunfaehig und mein Ruecken ein Verkehrsschild.


Aber zum Glueck gibt es ja kuehlende Medien.


Die Abschlussparty fand dann leider ohne mich statt. Das Bein liess mich nicht mehr aus dem Bett. Meine Crew machte noch ein paar Aufnahmen von der naechtlichen Uferpromenade ...


... und dem Feuerwerk.


Irgendwie schaffte ich es am naechsten Tag das Rad zu zerlegen, mein Zeug zu packen und ein bischen mit der Crew durch die Stadt zu humpeln. Ich nahm Abschied vom Meer, dem Strand mit der Startlinie und der Promenade wo der Zieleinlauf stand. Ein andaechtiger Moment fuer ein abgefahrenes Erlebnis!
Tags drauf wurde das Appartment wieder uebergeben und wir machten uns auf dem Weg zum Flughafen.


Eine problemlose Heimreise liess uns die letzten Eindruecke noch geniessen.




So! Jetzt bin ich also ein Ironman.
01:08:59 - Swim
00:05:07 - T1
05:36:39 - Bike
00:05:23 - T2
03:35:44 - Run
10:31:52 - Total




Nach dem Zieleinlauf war ich mir sicher nie wieder sowas machen zu wollen. Schon am naechsten Tag wurde berichtet, dass ich etwas von "mit 50 nochmal" gefaselt haette. Eine Woche spaeter wurde das offizielle Statement korrigiert: "Ich schau doch nicht 5 Jahre zu. Nicht naechstes, sondern im Jahr drauf." Hmm, oder doch etwa ... Mal sehen ;>
So ein Ding ist schon ein Knueppel. Und das Schwierigste ist aus meiner Sicht, seelisch und physisch heil an die Startlinie kommen. Daher warne ich vor irgendwelchen Stammtischwetten. Aber wer sich gut vorbereitet hat kriegt auch etwas unbezahlbares zurueck. Fuer mich ist klar:
Wenn es mir beschert bleibt, werde ich an dem Strand wieder stehen und dumm aus der Gummiwaesche gucken.

Peace

Captn Crook a.k.a. Alex



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